Pictopia

Pictopia stellt seit 2005 auf den Events der Vienna COMIX aus (hier noch in der Längenfeldgasse, Wiener Comic und Figurenbörse). Foto: Raimund AppelSebastian Broskwa von Pictopia Aussteller auf der COMIX. Der Experte für Graphic Novels verfasst auch die COMIX Kolumne für unser Programmheft. Auf seinem Stand zeichnen und signieren stets KünstlerInnen. 

Von LUCKY LUKE ins BLACK HOLE

„Jeder kennt Comics, aber kaum einer liest sie. Comic-Analphabetismus ist der Normalzustand in Österreich“, sagt Sebastian Broskwa, der 2005 Pictopia gründete: um etwas zu tun, das jeden Tag Spaß macht, um einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen und um ein neues Publikum mit literarisch-komplexen Comics zu erreichen.

Sein erster eigener Comic war „LUCKY LUKE – Die Postkutsche“ auf französisch. Sein Vater (seltsamerweise eigentlich ein Comic-Gegner) hat es ihm unter den Kopfpolster gelegt, so glaubt er sich zu erinnern. „Es war Liebe auf den ersten Blick“ sagt Sebastian. Der damals 5-Jährige fand den Cowboy cool und dessen Frisur faszinierend.

Pictopia Stand auf der Vienna COMIX. Foto: Joanna Pianka
Pictopia Stand auf der Vienna COMIX. Foto: Joanna Pianka

Heute hat er selbst zwei kleine Kinder und ist überzeugt, dass Comics ein perfektes Instrument für Leseförderung sind. Dabei denkt er noch weiter: „Comics zählen zu den großen globalen Erzählformen wie Buch, Film und Theater. Unter diesen sind Comics die vielleicht anspruchvollste Erzählform, da sie in Bildsequenzen kombiniert mit Schrifttexten erzählen. Comic-Lesen ist in Wahrheit eine anspruchsvolle Kulturtechnik, die in den Schulen aktiv gefördert und unterrichtet gehört.“ Denn wer nicht bereits in jungen Jahren mit dem In-Bilderfolgen-Lesen beginnt, tut sich als ungeübter Erwachsener mit der Lektüre anspruchsvoller Comics überraschend schwer. Was erklärt, warum so wenig Leute Comics lesen – weil sie es nicht können. Nach wie vor bestehende gesellschaftliche Vorurteile helfen hier nicht: „Wer viel Schrift-Literatur liest, wird tendenziell als intellektuell wahrgenommen. Wer viele Comics liest, wird von der Comic-Lektüre nicht mächtigen Mehrheit milde belächelt“, sagt er.

Für sein Vorhaben, seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf empfehlenswerter Comics zu bestreiten, holte er sich das nötige Know-how bei einem Praktikum im US-Comic-Verlag Fantagraphics. Dieser hatte vor 30 Jahren die Graphic-Novel-Bewegung herangezüchtet. 
Mit Pictopia kamen erstmals die Graphic Novels renommierter Verlage wie Reprodukt, Edition Moderne und avant-verlag in den österreichischen Buchhandel. Sebastian Broskwa beliefert regelmäßig Buchhandlungen und Comic-Shops in Wien, Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck.

Sebastian BroskwaAuf der Vienna COMIX gibt es Pictopia seit 2005. Am Stand zeichnen und signieren stets KünstlerInnen. Wir haben Sebastian ein paar Fragen zu sich und Graphic Novels gestellt und ihn um Leseempfehlungen gebeten. Das Interview führte Marion Ziegelwanger und ist in Ausschnitten im Programmheft zur COMIX April 2015 nachzulesen. 

Was ist das Spannendste an deinem Job?

Das Anspannendste im Kopf ist das kaufmännische Kalkulieren.
Das Spannendste: Ich kann Menschen mit Comics bekannt machen. Für mich ist Comic-Verkauf eine ideale Tätigkeit: ethisch korrekt und beglückend.

Dein All-time-favorite unter den Graphic Novels?

Vielleicht BLACK HOLE von Charles Burns. Dieser Comic hat mich in so tief berührt, dass ich mein Leben verändern musste. Es war die richtige Geschichte zur richtigen Zeit.
Und Jack Kirbys epische FOURTH WORLD – eine glorreich improvisierte Fusion aus Science Fiction, Mythologie und Superhelden. Für mich der organische Höhepunkt des Superhelden-Genres und das Comic-Äquivalent zu Free Jazz.

Gibt es entdeckenswerte KünstlerInnen am deutschsprachigen Markt?

Ja, die gibt es: Aisha Franz, Simon Häussle, Nicolas Mahler, Mawil, Anna Haifisch, Arne Bellstorf, Ulli Lust, Thomas Wellmann. Um nur einige zu nennen.

Welche Comics empfiehlst du Eltern für ihre Kinder?

Kommt ganz auf die Kinder an. Aber mit den HILDA-Comics von Luke Pearson (fantastische Abenteuer mit einer Prise nordischer Mythologie – für 8jährige jeden Alters) und den KLEINER STRUBBEL-Comics (putzig und ohne Worte) kann man eigentlich nichts falsch machen.

Und was empfiehlst du aktuell den Vienna COMIX-Fans?

GODLAND von Joe Casey und Tom Scioli; ein durchgeknalltes Superhelden-Fantasy-Massaker im Stil von Jack Kirby. Außerdem noch VALENTINA von Guido Crepax.

Gibt es ein Genre, das du gar nicht magst?

Nein. Genres per se sind nicht das Problem. Man kann aus jedem Genre etwas Tolles machen.

Was liest du derzeit?

„SUPREME: Blue Rose“ von Warren Ellis & Tula Latoy, Carl Barks DONALD DUCK, DIE HEIMATLOSEN von Paco Roca, SPIROU & FANTASIO von André Franquin – die lese ich gerade parallel, um meinen „stack of shame“ etwas abzubauen.

Text und Interview: Marion Ziegelwanger
Abseits der Vienna COMIX findet ihr Pictopia Online unter Pictopia.at und in der Liechtensteinstraße 64/4 in 1090 Wien!