Igor Kordey

Igor Kordey (FB-Seite) gründete in seiner Heimat Zagreb das Studio Incident. Später arbeitete er über 10 Jahre für Dark Horse und DC wo er u.a. an Tarzan, Predator und Star Wars mitwirkte. Seit Mitte der 2000er Jahre arbeitet er wieder hauptsächlich mit Jean-Pierre Pécau für den französischen Markt.

Wir haben den Stargast Igor Kordey anlässlich der Vienna COMIX 2022 interviewt.

Was machst du am liebsten, wenn du nicht arbeiten musst?

Meine Freizeit verbringe ich großteils mit der Familie. Ich habe einen kleinen Sohn, wir machen gerne lange Spaziergänge am nahegelegenen Fluss, oft in Begleitung meiner Frau. Wenn ich darüber hinaus noch etwas Zeit habe, lese ich gerne Bücher und Comics und sehe mir Filme an.

Und wenn du zeichnest, wie soll das Umfeld dann am besten sein?

Ich bin es gewohnt, mit meiner Frau, Yana Adamovic, zu arbeiten – sie ist auch Comiczeichnerin und Grafikdesignerin, also teilen wir uns ein Atelier und das gefällt mir. Wenn wir uns nicht gerade unterhalten, läuft immer Musik im Hintergrund oder auf meinen Kopfhörern. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne Musik zu arbeiten.

Gab es einen Moment, ein Erlebnis, einen bestimmten Anlass, warum du Zeichner geworden bist?

Nein, es sollte so sein – meine frühesten Erinnerungen drehen sich ums Zeichnen. Das Einzige, was ich immer sein wollte – ein Künstler. Ich kann mich wohl glücklich schätzen, dass ich von Anfang an so entschlossen war.

Zeichnest du lieber digital oder auf Papier?

Ich mache beides. Comicseiten zeichne ich immer noch auf klassische Weise – mit Papier, Bleistift und Pinsel. Früher habe ich auch farbige Illustrationen mit der Hand gemalt, aber ca. 2002 habe ich Photoshop entdeckt und weil es ein sehr schnelles und genaues Werkzeug ist, male ich seit 20 Jahren digital. Manchmal juckt es mich in den Fingern, wieder mit der Hand zu malen, mit Aquarell- oder Acrylfarben, aber ich habe gemerkt, dass ich eingerostet bin…oder vielleicht faul 😉

Welche Geschichte würdest du gerne noch zeichnen?

Ich habe keinen besonderen Wunsch. Ich kenne einige Künstler, die sich weigern, in bestimmten Genres zu arbeiten, weil sie nicht gerne Pferde oder Raumschiffe zeichnen. Ich habe kein solches Problem 😉 Meine größte Inspiration war und ist immer noch ein tolles Drehbuch. Es kann also jedes Genre sein, solange die Geschichte gut ist. Ansonsten hätte ich das Gefühl, dass ich meine Zeit verschwende.

Du hast praktisch schon für Auftraggeber aus „der ganzen Welt“ gearbeitet, gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Auftraggebern?

Es gibt drastische Unterschiede, zum Beispiel zwischen dem französischen und dem US-amerikanischen Markt (wenn wir über große Märkte sprechen). Das einzige Geld auf dem US-Markt wird mit Superhelden verdient. Wenn du also für eine dieser großen Firmen wie MARVEL oder DC arbeitest, besitzen sie für immer alles, was man für sie produziert hat, und sie behandeln dich nur wie ein Rädchen im Getriebe… Und ihre Honorare sind gering. Auf dem französischen Markt, au contraire, sind Künstler*innen und Autor*innen Eigentümer*innen ihrer Geschichten und der Charaktere, die Honorare sind viel höher und man wird als menschliches Wesen behandelt. Der größte Unterschied ist die Art und Weise, wie die Comic-Kunst behandelt wird – auf dem US-Markt ist der Comic nur ein Teil eines Franchise-Systems, der an die Filmindustrie übergeben werden kann; in Frankreich werden Comics als Kunstwerke betrachtet.

Zeichnest du nach dem vorgegebenen Drehbuch/Storyboard die gewünschten Geschichten durch oder bringst du gerne noch eigene Ideen ein?

Ich mag es, wenn dieser Job unter Profis aufgeteilt wird – ich gebe mein Bestes und der Autor tut sein Bestes. Aber da ich diesen Beruf seit fast 50 Jahren ausübe, halte ich mich für einen der besten Geschichtenerzähler der Welt. Wenn ich also der Meinung bin, dass ich ein Problem besser lösen kann, gebe ich mir die Freiheit, eine bestimmte Sequenz auf meine Weise zu gestalten. Und die Autoren sind in der Regel mit meinen Lösungen zufrieden. Manchmal übernehme ich aber auch das Drehbuch komplett. Zum Beispiel habe ich ein Drehbuch für das Projekt TEXAS KID, MY BRO geschrieben, welches ich gerade nach mehreren Jahren abgeschlossen habe – ein Comic-Buch von ca. 220 Seiten, basierend auf einer 30-seitigen Novelle von Darko Macan.

Hast du einen oder mehrere Tipps für junge Zeichner*innen, die durchstarten wollen?

Nun, das ist ein harter und einsamer Job und Erfolg stellt sich nicht über Nacht ein. Das Talent spielt nur eine kleine Rolle auf deinem Weg zum Erfolg, vielleicht 5 %. Der Rest, 95 %, ist harte Arbeit. Je mehr du arbeitest, desto besser wirst du – genauso wie beim Klavier- oder Gitarre spielen oder im Balletttanz. Wenn du bereit bist, zehn Stunden am Tag zu arbeiten, jeden Tag für den Rest deines Lebens, dann ist Comiczeichner*in ein Job für dich. Und ich teile Künstler*innen in zwei Gruppen ein – diejenigen, die gut sind und diejenigen, die denken, dass sie gut sind – die zweite Gruppe wird große Probleme auf ihrem Weg haben 😉

Was denkst du über die Superheld*innen-Comic-Verfilmungen?

Vielleicht bin ich einfach zu verwöhnt und zu alt, aber ich kann sie nicht mehr als Kinofilme bezeichnen. Es ist nur eine Form der sofortigen Reizüberflutung und des Adrenalinrausches und nach fünf Minuten hat man das alles wieder vergessen – ähnlich wie bei einem Akt der Masturbation.

Du hast schon in mehreren Ländern gelebt, was sind grundlegende Dinge, die du unbedingt überall gebraucht hast?

Nur einen Arbeitstisch, ein Stück Papier und einen Stift und natürlich Internet. In den letzten 20 Jahren ist leider nichts mehr ohne Internet zu machen. Für mich ist es eine Informationsquelle und eine Verbindung zu anderen Personen, aber gleichzeitig ist es auch eine Art Gefängnis – es trägt sehr zur Entfremdung der Menschen bei.

Was ist die größte Veränderung an deiner Arbeit, seit du begonnen hast?

Genau das, was ich in der vorherigen Frage gesagt habe – das Internet. Es kann ein hervorragendes Werkzeug sein um zu lernen und Referenzen für die eigene Arbeit zu finden, aber gleichzeitig kann man heutzutage nichts mehr ohne Internet tun, und das macht mich manchmal wütend. Ich fühle mich kontrolliert und beobachtet, wie in einer Art globalem Konzentrationslager.

Einen Comic über Österreich würdest du in welchem Szenario ansiedeln: Western, Science-Fiction, … ?

Eine Art von dystopischer, orwell`scher Geschichte über die perfekte Gesellschaft 😉

Was sind deine Schlussfolgerungen aus den letzten beiden Jahren?

Meinst du globale Pandemien und Isolation? Für mich ist es dasselbe wie vorher – Künstler*innen haben immer in Isolation gelebt, also keine große Sache 😉